Sonntag, 19. Oktober 2014

Beziehungswaise

Das bisschen was wir leben können wir auch lieben.
Ich hab’s probiert. Also das mit der Liebe. Das mit dem lieben und geliebt werden. Das mit dem Hals über Kopf und blind sein. Das mit der Wolke 7 und der rosaroten Brille. Das mit den Schmetterlingen im Bauch. Und ich habe gelernt, was passieren kann, wenn man nicht aufpasst. Ich habe gelernt, dass sich die Wolken manchmal verziehen und man dann fällt. Tief. Beinahe endlos. Im Strudel der Zeit verloren geht. Ich habe gelernt, dass Schmetterlinge nicht unsterblich sind. Dass die Brille manchmal zu Bruch geht. Und dann war’s das. Man kann sie zurück in die Schublade packen und diese abschließen. Dann will man da wieder raus und weiß nicht wie. Dann wird einem alles zu viel. Die Nähe. Klaustrophobisch. Zu eng. Das alles. Dann erträgt man es kaum noch. Den Geruch. Den Klang der Stimme. Die Blicke. Man muss dann ehrlich sein. Muss über den eigenen Schatten springen. Muss loslassen. Muss sich dem Leben wieder alleine stellen. Muss das “Wir” streichen. Aus dem Herz und dem Bauch und dem Kopf. Fliehen funktioniert nur, wenn man weiß wohin. Und dann geht das alles wieder von vorne los. Das Suchen.
Das Gefundenwerdenwollen. Das allein sein müssen. Das nicht wissen, was man mit der vielen Zeit anfangen soll.
Ein Beziehungswaise zu sein.

Aber dann geht man los und sucht nach dem Frühling und nach neuen Schmetterlingen. So lange, bis man den einen findet, der sich da einnistet. Im Herz und im Bauch und im Kopf. Und nicht mehr raus geht. Denn dieser Frühling kriegt uns alle.
Jeder hat zwei große Lieben im Leben. Im besten Fall ist die zweite die Musik. Findest du einen Menschen, der Musik ist, wenn du ihn berühst, hast du alles in einem.
Einen eigenen Helden in seinem Leben zu finden ist nicht einfach. Manchmal ist es unerträglich schwierig und man beißt sich die Zähne an falschen Helden aus. Denn wahre Helden erkennt man nicht am Umhang. Das tut man nie, denn sie tragen keinen.
Wahre Helden wärmen sich an Wochenenden die Hände an ihrer Kakaotasse, während die Katze um die Beine streicht. Das tut mein Held. Das ist das was ihn ausmacht, seine vollkommende Wärme und Gelassenheit. Das Zuhause, das er mir gegeben hat. Was mit uns geschah, ich könnte es nicht erklären. Denn sobald ich es erklären müsste, würde es seinen Zauber verlieren. Mein Herz klopft nicht mehr. Es flüstert Gefühle. Jeden Tag aus Neue.
Jemandem ans Herz wachsen lassen, das ist so wie tätowieren, nur innen. Ein Risiko gibt es immer. Das Gefühl.
Das Herz fragt nicht nach Erlaubnis. Und es gehorcht auch nicht. Es macht immer was es will. Gefährlich und schön zugleich.


- neon.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen